Nachdem die Firma AstroMedia* ihr Sortiment an Karton-Modellen im Dezember 2002 um ein Dobson – Spiegelteleskop erweitert hatte, erwarb ich als Astronomie- und Kartonmodellfan sogleich das neue Teleskopmodell.
Der Zusammenbau des Modells erwies sich als recht anspruchsvoll, wenngleich es auch weniger geübten Kartonbastlern möglich sein sollte, den Bausatz zu montieren. Vor allem mußte möglichst präzise gearbeitet werden, um die optische und mechanische Qualität des Gerätes auszuschöpfen. Die Verwendung eines einfachen Kreisschneiders zum exakten Ausschneiden der Blenden und Räder leistetete dabei wertvolle Dienste. Dieses Werkzeug war leicht herzustellen, indem ein 2mm Stahldraht (kann auch ein stumpfer oder abgebrochener 2mm Bohrer) an der Spitze zu einem kleinen Messer geschliffen und an einem Schulzirkel anstelle der Mine eingesetzt wurde. Papiermesser und Lineal waren ebenfalls zum genauen Arbeiten unverzichtbar.
Entgegen der ersten Ankündigung enthielt der Bausatz keinen gepressten Acryl-Kunststoffspiegel, sondern einen hochwertigen, geschliffenen sphärischen Glasspiegel der Firma Baader-Planetarium. Da sphärische Spiegel (=Kugelspiegel) mit einem sphärische Abberation genannten Abbildungsfehler behaftet sind (Lichtstrahlen von den Randbereichen des Spiegels werden vor den Lichtstrahlen der Spiegelmitte im Brennpunkt vereinigt und erzeugen somit Unschärfe), wurde die Öffnung des Tubus von 70mm auf 60 mm abgeblendet. Als Fangspiegel diente ein kleiner rechteckiger Planspiegel aus Glas mit den Maßen 20x28mm. Nachdem der Fangspiegel im Winkel von 45° im Tubus montiert worden war, erschien sein Umriß beim Blick durch den Okularstutzen quadratisch, was die geringstmögliche Abschattung auf dem Hauptspiegels ergab.
Für die Okulare wurden einfache plan-konvexe Acryl-Linsen der Brennweiten 49mm und 30mm verwendet. Für das Okular mit 15mm Brennweite wurden zwei 30mm Linsen mit den Planflächen zueinanderweisend verklebt. Zum Scharfstellen (Fokussieren) des Bildes konnten die Okulare in Richtung des Fangspiegels nach vorn und hinten verschoben werden (=Schiebefokussierer).
Außerdem war das Teleskop zum Auffinden von Beobachtungsobjekten mit einem Diopter-Sucher ausgerüstet. Durch je eine Öffnung (ähnlich Kimme und Korn) am Vorder- und Hinterende des Tubus ließen sich hellere Objekte problemlos anvisieren.
Die Paßgenauigkeit der Bauelemente war, wie man es von AstroMedia* nicht anders gewohnt ist, ganz hervorragend. Häßliche Stoßkanten wurden durch Messingdekor-Beschläge verdeckt und das hübsche, wenngleich etwas barocke Dekor rundete das hübsche Erscheinungsbild des Modells ab.
Die Kollimation (Justierung) des Hauptspiegels mittels dreier Laschen an der Hauptspiegelhalterung erwies sich als eher schwierig. Damit ließ sich der Spiegel nur mehr oder weniger ruckhaft bewegen, dazu kam, daß er beim Ausrichten auch immer insgesamt nach vorn oder hinten verschoben wurde. Eine grobe Ausrichtung der Spiegel, wie in der Anleitung beschrieben (Okularstutzen-Blende, Hauptspiegel, Fangspiegelumriß und Auge konzentrisch bei Blick durch den Okularstutzen angeordnet), wurde dennoch nach etwas Fummelei erreicht. Der Tubus war nach dem Einsetzen der Deklinationsräder in die vorgesehenen Lager erfreulicherweise gut ausbalanciert. Nach dem Loslassen verharrte der Tubus ohne weitere Korrekturen in seiner Stellung. Die Filterfolie für den Sonnefilter-Vorsatz wurde anders als in der Bauanleitung vorgeschlagen, nicht festgeklebt, sondern nur lose eingelegt und festgeklemmt. Die Sicherheit des Vorsatzes wurde dadurch nicht beeinträchtigt, die Folie war dadurch aber viel entspannter und somit faltenfreier befestigt, als wenn sie verklebt worden wäre.Die ersten Blicke durch die 49, 30 und 15mm Okulare zeigten ein überraschend klares, zumindest in der Mitte scharfes und verhältnismäßig kontrastreiches Bild, offenbahrten jedoch auch als Schwächen der Acryl-Okularlinsen eine deutliche Randunschärfe . Besonders im 15mm Okular (30fache Vergrößerung) empfand ich dies etwas störend. Der Diopter-Sucher erwies sich von Anfang an als ausreichend genaue Visiereinrichtung, denn schon im 30mm Okular befand sich das angepeilte Objekt sofort im Blickfeld.
Die Montierung zeigte die zu erwartenden Instabilitäten, vor allem beim Scharfstellen verlor ich eingestellte Objekte sehr leicht wieder aus dem Gesichtsfeld. Nachdem der Fokus jedoch einmal richtig eingestellt war, konnte ich das Teleskop bei der kleinen und mittleren Vergrößerung ausreichend feinfühlig in Azimut und Deklination bewegen.
Die beiden Mondaufnahmen entstanden ebenfalls unter nicht optimalen Bedingungen. Zudem hatte ich immer noch keine optimale Kollimation erreichen können. Trotz allem sind die die größeren Formationen sehr gut zu erkennen. So zeigt die Aufnahme vom 7.1.2003 beispielsweise das wunderbare Kratertrio Theophilus-Catharina-Arzachel in der Nachbarschaft des Nektarmeeres. Überhalb des Meeres der Heiterkeit, nahe des Terminators, springen die Krater Aristoteles und Eudoxus ins Auge.
30 Einzelbilder je 1/300 s wurden für jede dieser beiden Aufnahmen mit Giotto gemittelt im Kontrast angepaßt.
Zur Verbesserung der Kollimation versah ich den Hauptspiegel vor den nächsten Aufnahmen mit einer Mittenmarkierung. Beim Einblick in den Okularstutzen konnte nun das Fangspiegelquadrat zentrisch vor der Hauptspiegelscheibe und beides zusammen mittig zur Okularstutzenblende ausgerichtet werden. Eine gute Kollimation konnte dann einfach dadurch erreicht werden, daß Augenpupille und Mittenmarkierung zur Deckung gebracht wurden.
Die Aufnahmen von Jupiter und Orionnebel M42 vom 25.1.2003 zeigten die Jupitertrabanten und Umgebungssterne als fast punktförmige Objekte, was eindeutig auf eine bessere Hauptspiegeljustierung zurückzuführen war. Eine exakte Fokussierung bei laufender Kamera war aber insofern schwierig, weil ich zur Kontrolle des Bildes nur das kleine 2-Display des Aufzeichnungsgerätes zur Verfügung hatte.
Die etwas skurrilen Beugungserscheinungen um die hellen Planetenscheibchen waren wohl durch den quadratischen Fangspiegelumriß im Strahlengang in Verbindung mit der Fangspiegelstrebe verursacht worden.
Bei der Aufnahme von Saturn in derselben Nacht wurde der Fokus leider nicht gut getroffen, die Monde und Hintergrundsterne waren erkennbar unscharf.
Immerhin zeigt die Aufnahme neben Saturn dessen Riesenmond Titan und Japetus, der in relativ großer Entfernung Saturn umkreist. Saturn selbst erscheint wie Jupiter im Primärfokus bei 450mm Brennweite viel zu klein, um irgendwelche Oberflächendetails erkennen zu können.
Die Jupiteraufnahme vom 25.1. enthält eine Besonderheit: Nur die beiden äußeren Galileischen Monde, Kallisto und Ganymed, sind sichtbar (Kallisto ist deutlich dunkler als Ganymed).
Zum Zeitpunkt der Aufnahme fand auf Jupiter eine doppelte Sonnenfinsternis statt. Die Monde Io und Europa standen vor der Jupiterscheibe und warfen ihre Schatten auf die Planetenoberfläche.
Die Aufnahme von M42 demonstriert sehr schön die Leistungsfähigkeit des Kartonteleskopes. 100 Einzelbilder je 12/50s wurden mit Giotto gemittelt und im Anschluß grün getönt, um in etwa den visuellen Eindruck von M42 wiederzugeben.
Erstaunlicherweise zeigte das Teleskop bei Verwendung des 30mm bzw. 49mm Okulars den typischen Tunnelblick von einfachen (einfachsten! denn die Okulare sind 1-Linser) Okularen, während das 15mm Okular ein durchaus akzeptables scheinbares Gesichtsfeld von geschätzt ca. 50-60° aufwies.
In jedem Fall entsteht aber ein sehr dekoratives Kartonmodell, das darüberhinaus auch noch voll funktionsfähig ist und am Nachthimmel erstaunliche Einblicke vermitteln kann.
Und nicht zu vergessen ist, daß dieses Spiegelteleskop wie die anderen Kartonmodelle von AstroMedia* den Anspruch hat, durch das Basteln auch Verständnis für die Funktionsweis des Gerätes zu wecken.